Berliner Tageblatt - Sohn scheitert mit Verfassungsbeschwerde wegen künstlicher Ernährung von krankem Vater

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Sohn scheitert mit Verfassungsbeschwerde wegen künstlicher Ernährung von krankem Vater
Sohn scheitert mit Verfassungsbeschwerde wegen künstlicher Ernährung von krankem Vater / Foto: © AFP/Archiv

Sohn scheitert mit Verfassungsbeschwerde wegen künstlicher Ernährung von krankem Vater

Der Sohn eines 2011 gestorbenenen dementen Patienten ist mit einer Verfassungsbeschwerde gegen eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) gescheitert, der ihm kein Schmerzensgeld oder Schadenersatz zusprach. Die BGH-Entscheidung sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, erklärte das Bundesverfassungsgericht am Dienstag in Karlsruhe. Der Mann hatte nach dem Tod seines Vaters dessen Hausarzt auf 100.000 Euro Schmerzensgeld und mehr als 50.000 Euro Schadenersatz für Behandlungs- und Pflegekosten verklagt. (Az. 1 BvR 1187/19)

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Seiner Meinung nach wurde das Leiden des Vaters dadurch sinnlos verlängert, dass er fünf Jahre lang künstlich ernährt wurde. Der Vater litt an Demenz und Schmerzen und konnte nicht mehr sprechen. Eine Patientenverfügung hatte er nicht gemacht.

Das Oberlandesgericht München sprach dem Sohn 2017 ein Schmerzensgeld von 40.000 Euro zu. Das Gericht begründete dies damit, dass der Arzt seine Aufklärungspflicht verletzt habe. Er hätte demnach mit dem offiziellen Betreuer des schwer kranken Manns erörtern müssen, ob die Ernährung über die Magensonde fortgesetzt werden solle. Der BGH hob diese Entscheidung 2019 auf und stellte das Urteil des Landgerichts wieder her, das die Klage in erster Instanz abgewiesen hatte.

Dem Kläger stehe kein Anspruch auf Zahlung eines Schmerzensgelds zu, erklärte der Bundesgerichtshof. Es sei hier nicht entscheidend, ob der Arzt Aufklärungspflichten verletzt habe. Das durch künstliche Ernährung ermöglichte Weiterleben stehe in dem Fall dem Tod gegenüber. Das menschliche Leben sei aber "absolut erhaltungswürdig - das Urteil über seinen Wert steht keinem Dritten zu", urteilte der BGH. Deshalb verbiete es sich, "das Leben - auch ein leidensbehaftetes Weiterleben - als Schaden anzusehen".

Der BGH betonte auch, dass die Aufklärungspflicht bei lebenserhaltenden Maßnahmen nicht dazu diene, wirtschaftliche Belastungen zu verhindern - insbesondere nicht dazu, "den Erben das Vermögen des Patienten möglichst ungeschmälert zu erhalten".

Gegen dieses Urteil zog der Mann vor das Bundesverfassungsgericht. Er rügte eine Verletzung von Grundrechten wie der Menschenwürde seines Vaters und seiner eigenen Rechte, unter anderem des Erbrechts. Karlsruhe nahm die Verfassungsbeschwerde aber nicht zur Entscheidung an. Die Grundrechte des verstorbenen Vaters könne der Sohn nicht mehr durchsetzen, erklärte es nun. "Höchstpersönliche Rechte" könnten nach dem Tod nicht durch Dritte geltend gemacht werden. Zudem habe der Vater niemals geäußert, dass er sein Leben beenden wolle.

Außerdem hatte das Bundesverfassungsgericht keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen das BGH-Urteil. Das menschliche Leben sei höchstrangiges Rechtsgut und absolut erhaltenswürdig, erklärte es. Der Schutzauftrag des Staates zugunsten des Lebens ende aber dort, wo das Selbstbestimmungsrecht beginne. Zwar könne das BGH-Urteil Zweifel daran wecken, dass das Selbstbestimmungsrecht ausreichend beachtet worden sei.

Doch beruhe dessen Entscheidung nicht darauf. Der Wille des Verstorbenen sei nämlich nicht feststellbar gewesen, erklärte das Verfassungsgericht. Der BGH habe ausdrücklich offen gelassen, ob ein Schadenersatzanspruch entstehen könne, wenn die lebenserhaltenden Maßnahmen gegen den Willen des Patienten seien.

D.Schneider--BTB