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Australien führt nach Kontroversen Aufsichtsgremium für Abgeordnete ein
Nach Kontroversen um die Verschwendung staatlicher Mittel und um politische Einflussnahme hat Australiens Parlament für ein neues Aufsichtsgremium mit weitreichenden Befugnissen in der Politik gestimmt. Außer für das Anti-Korruptionsgesetz votierte die Volksvertretung in Canberra am Mittwoch auch für eine Rüge gegen Ex-Premierminister Scott Morrison wegen der heimlichen Übernahme mehrerer Ministerposten. Die Organisation Transparency International lobte die Einführung des neuen Aufsichtsgremiums als großen Wurf.
Das Wächtergremium soll die Aktivitäten von Politikern im australischen Parlament untersuchen dürfen. Es wird damit gerechnet, dass es Mitte kommenden Jahres einsatzbereit ist. Viele australische Bundesstaaten haben bereits ähnliche Gremien.
Australien gilt als eine der intaktesten Demokratien der Welt. Allerdings hatte es in letzter Zeit wiederholt Kontroversen über ihren Zustand gegeben, etwa wegen umstrittener Staatsausgaben, politischer Einmischung durch China und Einflussnahme der Glücksspielindustrie auf die Politik. Der Kampf gegen Korruption zählte daher zu den bestimmenden Wahlkampfthemen vor der Parlamentswahl im Mai.
Die Gesetzesvorlage für das neue Aufsichtsgremium brachte der neue Premierminister Anthony Albanese ins Parlament ein. Die Reform sei entscheidend für die Stärkung des Vertrauens der Öffentlichkeit in den Staat und ein "Gewinn für Ehrlichkeit, Verantwortlichkeit und Integrität", sagte der Labor-Politiker.
Clancy Moore von der Nichtregierungsorganisation Transparency International lobte das neue Aufsichtsgremium als Australiens "größte Reform für staatliche Integrität seit mehr als 40 Jahren". Sie sei allerdings auch nötig gewesen. "Die Leute denken, dass Australien ein nettes Urlaubsdomizil ist, aber in den vergangenen zwölf Jahren ist Australien im Korruptionswahrnehmungsindex von Transparency International um zwölf Punkte gefallen", sagte Moore der Nachrichtenagentur AFP.
Das Vertrauen in die Demokratie hatte auch der frühere Premierminister Morrison erschüttert. Er hatte von März 2020 bis zu seiner Abwahl im Mai dieses Jahres weitere Ministerposten etwa für Finanzen, Inneres und Wirtschaft übernommen, ohne die Öffentlichkeit darüber zu informieren. Nach Bekanntwerden der Vorgänge rechtfertigte Morrison diese mit Australiens Ausnahmesituation während der Corona-Pandemie.
Dennoch stimmten am Mittwoch 86 Abgeordnete für eine Rüge gegen Morrison, 50 andere votierten dagegen. Der Ex-Premier habe "das öffentliche Vertrauen in die australische Demokratie untergraben" und eine angemessene Rechenschaftspflicht unmöglich gemacht, hieß es in dem Text. Es war das erste Mal in der Geschichte Australiens, dass das Parlament einen ehemaligen Premierminister formell rügte.
"Er schuldet der australischen Bevölkerung eine Entschuldigung für die Untergrabung der Demokratie", sagte Premierminister Albanese. Morrison verteidigte hingegen sein Vorgehen im Parlament vehement und warf der aktuellen Mitte-links-Regierung "politische Einschüchterung" vor. Forderungen nach einem Rückzug aus dem Parlament wies der konservative Politiker zurück.
W.Lapointe--BTB