Berliner Tageblatt - Terror-Netzwerk von Reichsbürgern soll gewaltsamen Umsturz geplant haben

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Terror-Netzwerk von Reichsbürgern soll gewaltsamen Umsturz geplant haben
Terror-Netzwerk von Reichsbürgern soll gewaltsamen Umsturz geplant haben / Foto: © AFP

Terror-Netzwerk von Reichsbürgern soll gewaltsamen Umsturz geplant haben

Eine Extremisten-Gruppe soll einen gewaltsamen Umsturz in Deutschland geplant haben: Am Mittwoch gingen Ermittler bundesweit gegen ein mutmaßliches Terror-Netzwerk aus Reichsbürgern und Verschwörungsideologen vor. 3000 Polizeibeamte waren bei der Großrazzia im Einsatz, 25 Männer und Frauen wurden festgenommen, wie die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe mitteilte. Ein bewaffneter Überfall auf den Bundestag sei in konkreter Vorbereitung gewesen, mögliche Tote seien in Kauf genommen worden.

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Der mutmaßliche Rädelsführer, ein in Hessen lebender Prinz, wurde in Untersuchungshaft genommen. Insgesamt wurde bis Mittwochnachmittag bei acht Verdächtigen Untersuchungshaft angeordnet, wie Generalbundesanwalt Peter Frank mitteilte.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) sprach von einem "Abgrund terroristischer Bedrohung". Regierungssprecher Steffen Hebestreit sagte in Berlin: "Wir reden hier von einer Vereinigung, die nach dem, was wir bisher wissen, die gemeinsame Beseitigung unseres demokratischen Rechtsstaats geplant hat."

Generalbundesanwalt Frank sagte in Karlsruhe, seine Behörde werfe den Beschuldigten die Mitgliedschaft oder Unterstützung einer inländischen terroristischen Vereinigung vor. Die Gruppenmitglieder verbindet den Angaben aus Karlsruhe zufolge ihre tiefe Ablehnung der demokratischen Institutionen.

Anführer der Gruppe soll der in Hessen lebende Heinrich XIII. Prinz Reuß gewesen sein. Der vermeintliche Kopf der Vereinigung sei "den hessischen Sicherheitsbehörden bereits seit längerem bekannt", erklärte der hessische Innenminister Peter Beuth (CDU). Laut Bundesanwaltschaft war der Rädelsführer für den Fall eines erfolgreichen Umsturzes als zukünftiges Staatsoberhaupt vorgesehen.

Als zweiter mutmaßlicher Rädelsführer wird Rüdiger v. P. betrachtet, der an der Spitze des "militärischen Arms" des Netzwerks gestanden habe. Ziel sei es gewesen, eine neue deutsche Armee aufzubauen. Einzelne Mitglieder waren den Ermittlern zufolge früher aktive Bundeswehrsoldaten. Es sei gezielt versucht worden, Polizisten und Soldaten anzuwerben.

Ermittelt wird auch gegen einen aktiven Soldaten des Kommandos Spezialkräfte (KSK) sowie mehrere Reservisten der Bundeswehr. Ein Sprecher des Bundesverteidigungsministeriums bestätigte in Berlin, dass ein KSK-Angehöriger festgenommen worden sei. Dabei handle es sich um einen Soldaten aus dem Unterstützungsbereich.

Die Mitglieder der Gruppe sollen Verschwörungsmythen anhängen und davon überzeugt sein, dass Deutschland derzeit von Angehörigen eines "Deep State" regiert werde - also von einer verborgenen und illegitimen staatlichen Führungsstruktur, erklärte die Karlsruher Behörde.

Die demokratischen Institutionen und staatliche Repräsentanten sollten offenbar von dem Reichsbürger-Netzwerk selbst bekämpft werden. Dieses habe aus einer Art "Rat" bestanden, dessen Mitglieder für eine zukünftige Regierung bereits Ressorts verteilt hätten, wie der Generalbundesanwalt weiter ausführte.

Als Justizministerin war offenbar eine ehemalige Bundestagsabgeordnete der AfD vorgesehen, Birgit Malsack-Winkemann. Erst im Oktober hatte das Berliner Verwaltungsgericht entschieden, dass sie weiter als Richterin arbeiten darf. Nach der Razzia am Mittwoch schied sie aus der Zivilkammer aus, wie die Berliner Justiz mitteilte.

Der Gruppe sei bewusst gewesen, dass es bei der gewaltsamen Beseitigung des demokratischen Rechtsstaats Tote geben würde, erklärte die Bundesanwaltschaft. Sie soll dieses Szenario aber billigend in Kauf genommen haben. Es habe auch Schießtrainings gegeben, teilte die Bundesanwaltschaft weiter mit. Nach dem Umsturz habe eine Übergangsregierung mit den alliierten Siegermächten des Zweiten Weltkriegs die neue staatliche Ordnung Deutschlands verhandeln sollen, so der Plan der Extremisten.

Der mutmaßliche Anführer Prinz Reuß soll mit Vertretern Russlands Kontakt aufgenommen haben, das er als zentralen Ansprechpartner für solche Verhandlungen sehe. Die russische Botschaft in Berlin wies aber jegliche Verbindungen zu solchen Gruppen in Deutschland zurück. Auch die Karlsruher Behörde erklärte, sie habe keine Anhaltspunkte dafür, "dass die Ansprechpartner auf sein Ansinnen positiv reagiert haben".

Insgesamt gab es laut Frank am Mittwoch 150 Durchsuchungen in elf Bundesländern. Von den 25 festgenommenen Beschuldigten sind 24 Deutsche, eine mutmaßliche Unterstützerin hat die russische Staatsangehörigkeit.

Eine Festnahme fand in Österreich und eine in Italien statt. Bei dem in Perugia festgenommenen 64-jährigen Deutschen handle es sich einen früheren Offizier der Bundeswehr-Spezialkräfte, teilten die dortigen Behörden mit. Er soll nun nach Deutschland ausgeliefert werden.

O.Krause--BTB