Berliner Tageblatt - Bund und Länder streiten um Kostenverteilung bei Entlastungen in Energiekrise

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Bund und Länder streiten um Kostenverteilung bei Entlastungen in Energiekrise
Bund und Länder streiten um Kostenverteilung bei Entlastungen in Energiekrise / Foto: © AFP/Archiv

Bund und Länder streiten um Kostenverteilung bei Entlastungen in Energiekrise

Vor dem Spitzentreffen von Bund und Ländern zur Verteilung der Milliarden-Kosten für weitere Entlastungen in der Energiekrise haben die Positionen beider Seiten noch weit auseinander gelegen. Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) forderte die Länder vor den Beratungen am Dienstag auf, "ihren Beitrag" an der Finanzierung zu tragen. Ländervertreter verlangten dagegen vom Bund unter anderem mehr Geld für den öffentlichen Personennahverkehr und ein stärkeres Engagement bei der Flüchtlingshilfe.

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Am Dienstagnachmittag kommen die Länderchefinnen und -chefs mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in Berlin zusammen. Sie beraten über die Finanzierung des Anfang September von der Ampel-Koalition beschlossenen dritten Entlastungspakets mit einem Volumen von 65 Milliarden Euro. Ländervertreter kritisierten, dass sie insbesondere wegen vorgesehener Steuerentlastungen bei den vorab nicht besprochenen Plänen rund 19 Milliarden Euro der Kosten übernehmen müssten. Mehrere Länder hatten deshalb mit einem Nein im Bundesrat gedroht.

"Man muss sich gegenseitig helfen", schrieb Lindner auf Twitter. "Es kann aber nicht sein, dass Länder Überschüsse erzielen und der Bund trotz roter Zahlen Krisenmanagement machen muss." Die Menschen erwarteten, "dass alle staatlichen Ebenen ihren Beitrag leisten, um ohne großen Schaden durch diese Zeit kommen".

Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) bezeichnete insbesondere die Finanzierung des öffentlichen Personennahverkehrs, die Krankenhausfinanzierung und die Flüchtlingsfrage als die drei wichtigsten offenen Themen des Treffens. Außerdem forderte Giffey im ZDF-"Morgenmagazin" vom Bund "so schnell wie möglich Klarheit", wann die angekündigte Gaspreisbremse umgesetzt wird.

Ähnlich äußerte sich Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU). "Die Gaspreisbremse muss jetzt schnell, umfassend und unbürokratisch in Kraft treten – am besten noch im Oktober", sagte er der "Süddeutschen Zeitung". Es dürfe jetzt keine Verzögerung geben.

Die Gaspreisbremse ist wesentlicher Teil des vergangene Woche angekündigten 200 Milliarden Euro schweren "Abwehrschirms" der Ampel-Regierung. Hierbei soll ein "Basisverbrauch" bei Gas staatlich subventioniert werden. Details sind aber noch offen. Vorschläge soll eine von der Regierung eingesetzte Gas-Kommission Mitte Oktober vorlegen. Finanziert werden soll der Abwehrschirm über eine Schuldenaufnahme des Bundes.

Beim ÖPNV drängte Giffey auf eine rasche Nachfolge des Neun-Euro-Tickets. Für neun Euro werde es kein Monatsticket mehr geben, sagte die SPD-Politikerin. Ihrer Auffassung nach solle Mobilität aber nicht mehr als einen Euro pro Tag kosten.

Wie Giffey nannte auch Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) das Thema Flüchtlinge als eines der wichtigsten für die Beratungen mit Scholz. "Wenn jetzt der Winter kommt, wenn Kälte und Nässe in die zerstörten Häuser in der Ukraine eindringen, dann werden weitere Menschen zu uns kommen", sagte er der Funke Mediengruppe. "Wir brauchen jetzt auch die vom Kanzler zugesagte Nachfolgeregelung bei der Finanzierung der Flüchtlingskosten."

Der Sozialverband Deutschland forderte die Länder auf, das dritte Entlastungspaket nicht zu blockieren. "Bund und Länder dürfen ihren Streit nicht auf dem Rücken der Betroffenen austragen", erklärte die SoVD-Vorstandsvorsitzende Michaela Engelmeier. Auch vier Wochen nach der Ankündigung sei bei den wichtigsten Maßnahmen "noch unklar, ob und wann sie kommen".

Der Geschäftsführer des Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, Ulrich Schneider, forderte Änderungen an dem Ampel-Paket. Im Fernsehsender Phoenix nannte er die von Lindner angekündigte Steuerreform. Diese koste allein 14 Milliarden Euro, von denen 70 Prozent den wohlhabenderen und besserverdienenden Haushalten zugute kämen, sagte Schneider. "Das kann im Moment eigentlich nicht ernst gemeint sein." Es müsse "den Ärmsten erstmal vordringlich geholfen" werden.

Linken-Chefin Janine Wissler verlangte statt der geplanten Gaspreisbremse einen "wirklichen, effektiven Gaspreisdeckel". "Es braucht einen bezahlbaren Grundbedarf für alle Menschen, damit niemand im Winter frieren muss oder im Dunkeln sitzt, weil er oder sie die Rechnung nicht bezahlen kann", sagte Wissler in Berlin.

A.Gasser--BTB