Berliner Tageblatt - Fraktionsübergreifender Vorstoß zur Neuregelung der Sterbehilfe

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Fraktionsübergreifender Vorstoß  zur Neuregelung der Sterbehilfe
Fraktionsübergreifender Vorstoß zur Neuregelung der Sterbehilfe / Foto: ©

Fraktionsübergreifender Vorstoß zur Neuregelung der Sterbehilfe

Fast zwei Jahre ist es her, dass das Bundesverfassungsgericht das Verbot der geschäftsmäßigen Suizidbeihilfe gekippt hat - nun unternimmt eine fraktionsübergreifende Initiative einen Anlauf zur Neuregelung. Der Gesetzentwurf von Abgeordneten aus allen Bundestagsfraktionen außer der AfD würde es ermöglichen, anderen unter engen Voraussetzungen straffrei beim Suizid zu helfen. Zugleich dringen die Initiatoren darauf, Beratungsmöglichkeiten für suizidgefährdete Menschen auszubauen.

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Das Bundesverfassungsgericht hatte im Februar 2020 das 2015 beschlossene Verbot der geschäftsmäßigen Förderung der Sterbehilfe gekippt. Damit ist es nicht mehr strafbar, anderen Menschen beim Suizid zu helfen, auch wenn dies geschäftsmäßig geschieht - also etwa durch Vereine, die regelmäßig beim Sterben helfen und dazu tödliche Medikamente beschaffen. Mangels einer gesetzlichen Neuregelung blieb die Lage für Betroffene jedoch kompliziert.

Diesen "quasi regellosen Zustand" wollen die Initiatoren des neuen Gesetzentwurfs beenden, wie der SPD-Politiker Lars Castellucci am Donnerstag sagte. Sie wollten "den assistierten Suizid ermöglichen, aber wir wollen ihn nicht fördern". Auf Menschen etwa mit tödlichen Erkrankungen dürfe keinesfalls Druck ausgeübt werden, ihr Leben zu beenden: "Der Staat darf niemandem den Eindruck vermitteln, überflüssig zu sein."

Der CDU-Politiker Ansgar Heveling betonte, es gehe auch darum, dass "Missbrauch und das Geschäft mit dem Tod" geahndet werden können. Die Grünen-Politikerin Kirsten Kappert-Gonther wies ebenfalls darauf hin, dass derzeit Sterbehilfevereine aktiv seien, ohne dass deren Arbeit in einen klaren Regelungsrahmen eingebettet wäre.

Der Gesetzentwurf sieht deshalb vor, dass die geschäftsmäßige Sterbehilfe wieder strafbar ist und nur unter engen Voraussetzungen straffrei bleibt. So muss der suizidwillige Mensch mindestens zwei psychiatrische Untersuchungen im Abstand von mindestens drei Monaten absolvieren. Dazwischen ist ein Beratungsgespräch vorgesehen, bei dem neben Ärzten je nach Lebenssituation etwa Sucht- oder Schuldnerberatungen eingebunden werden.

Bis zum tatsächlichen Vollzug der Selbsttötung müssten dann noch bestimmte Wartefristen eingehalten werden. Das Verfahren kann dem Entwurf zufolge verkürzt werden, falls jemand an "einer nicht heilbaren, fortschreitenden und weit fortgeschrittenen Erkrankung bei einer zugleich begrenzten Lebenserwartung" leidet. Kinder und Jugendliche unter 18 sollen generell keine Suizidbeihilfe in Anspruch nehmen können.

Die Abgeordnetengruppe verknüpft ihren Gesetzentwurf mit einem Antrag, in dem die Bundesregierung aufgefordert wird, die Suizidprävention in Deutschland auszubauen. Dazu sollen etwa mehr Beratungsangebote geschaffen werden. Durch mehr Aufklärung soll der Tabuisierung und der Stigmatisierung von Suizidgedanken entgegen gewirkt werden.

Die Regelung zur Sterbehilfe sei "ohne wirksame Suizidprävention nicht denkbar", sagte der FDP-Politiker Benjamin Strasser. Auch die Linke-Abgeordnete Kathrin Vogler unterstrich, es sei "absolut notwendig", die Prävention auszubauen.

Die Abgeordneten sammeln nun Unterschriften im Bundestag für ihre Initiative. Sobald mindestens fünf Prozent der Mitglieder - 37 Abgeordnete - die Vorlage unterstützen, kann sie im Plenum behandelt werden.

Bisher stehen offiziell 15 Abgeordnete hinter den Anträgen, darunter Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD), Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) und Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne).

Laut Strasser könnten auch zwei andere Regelungsentwürfe neu aufgelegt werden, die in der vergangenen Legislaturperiode im Bundestag diskutiert worden waren. Es war damals nicht gelungen, diese rechtzeitig vor der Bundestagswahl abschließend zu behandeln. Heveling betonte, der Initiatorengruppe gehe es um ein "möglichst breites parlamentarisches Beratungsverfahren". Es gebe "keinen zeitlichen Druck" für einen "ganz schnellen Abschluss".

C.Kovalenko--BTB