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London bereitet nach Parlamentszustimmung erste Abschiebungen nach Ruanda vor
Großbritannien wird in den nächsten Tagen damit beginnen, irregulär eingereiste Flüchtlinge in Abschiebehaft zu nehmen - um sie anschließend nach Ruanda abzuschieben. In der Nacht zum Dienstag billigte das britische Oberhaus den Plan der Regierung, der Abschiebungen in das ostafrikanische Land unabhängig von der Herkunft der Flüchtlinge vorsieht. Der Schritt löste bei der Opposition, Menschenrechtsgruppen sowie bei der UNO und dem Europarat heftige Kritik aus.
Premierminister Rishi Sunak hatte schon vor der Abstimmung angekündigt, die Abschiebeflüge von Asylbewerbern in das ostafrikanische Land würden "in zehn bis zwölf Wochen" beginnen. Bereits in dieser Woche sollen die für den ersten Flug ausgewählten Menschen in Abschiebehaft genommen werden. "Wir sind bereit, die Pläne liegen vor und diese Flüge werden auf jeden Fall starten", erklärte Sunak.
London hatte den Plan vor zwei Jahren angekündigt, das Vorhaben wurde von der Regierung als eine der wichtigsten Maßnahmen im Kampf gegen die illegale Einwanderung bezeichnet. Mitte Januar billigte das britische Unterhaus das Gesetz. Es sieht vor, dass irregulär eingereiste Flüchtlinge künftig ohne Prüfung ihres Asylantrags aus Großbritannien nach Ruanda geschickt werden können - unabhängig davon, woher die Flüchtlinge kommen.
Die britische Regierung erhofft sich davon eine abschreckende Wirkung auf Migranten. Die entsprechende Vereinbarung wurde zuvor mit der Regierung in Kigali beschlossen.
Die Opposition kritisiert das Vorhaben ebenso wie Menschenrechtsaktivisten. Doch auch unter den Konservativen von Premierminister Sunak ist das Abkommen umstritten.
Hardlinern innerhalb der Tory-Partei des Premierministers geht der Plan der Regierung nicht weit genug - liberale Tories wiederum befürchten, Großbritannien könne gegen internationales Recht verstoßen.
Der UN-Menschenrechtsbeauftragte Volker Türk erklärte, das Vorhaben bedrohe die Rechtsstaatlichkeit und stelle "weltweit einen gefährlichen Präzedenzfall" dar. Der Menschenrechtskommissar des Europarats, Michael O'Flaherty, kritisierte, dass das Gesetz die Umsetzung einer Politik der Abschiebung von Menschen nach Ruanda ermögliche, ohne dass die Behörden ihre Asylanträge vorher geprüft haben.
Das Oberhaus, in dem keine Partei eine Mehrheit hat, hatte die Verabschiedung des Vorhabens verzögert, indem es den Plan wiederholt mit Änderungen an das Unterhaus zurückschickte. Das Gesetz muss noch von Staatsoberhaupt König Charles III. unterzeichnet werden. Dieser hatte den Plan wiederholt als "fürchterlich" bezeichnet.
Der britische Plan sieht die Zahlung erheblicher Beträge an Ruanda im Gegenzug für die Aufnahme von Migranten vor. Ruanda zeigte sich "zufrieden" über die Entscheidung in London. Die Behörden des Landes freuten sich darauf, "die nach Ruanda umgesiedelten Menschen willkommen zu heißen", erklärte Regierungssprecherin Yolande Makolo.
Das Vorhaben wurde von Beginn an juristisch angefochten. Ein für Juni 2022 geplanter Flug mit Migranten nach Ruanda wurde nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte kurzfristig gestrichen. Mit dem nun debattierten Text sollte auf den Obersten Gerichtshof in London reagiert werden, der das ursprüngliche Vorhaben im November für illegal erklärt hatte.
Der Text definiert Ruanda als sicheres Drittland. Zwar präsentiert sich das ostafrikanische Land mit 13 Millionen Einwohnern als einer der stabilsten Staaten Afrikas. Präsident Paul Kagame wird jedoch vorgeworfen, in einem Klima der Angst zu regieren, indem er unter anderem die Meinungsfreiheit unterdrückt.
Sunaks Regierung steht unter wachsendem Druck, die hohe Zahl an Asylsuchenden zu reduzieren, die von Nordfrankreich über den Ärmelkanal mit kleinen Booten kommen.
Sunaks Pläne könnten noch durch rechtliche Schritte aufgehalten werden. UN-Rechtsexperten haben darauf hingewiesen, dass Fluggesellschaften und Luftfahrtbehörden gegen internationale Menschenrechte verstoßen könnten, wenn sie sich an den Abschiebungen beteiligen.
Das Gesetz sieht allerdings vor, dass britische Gerichte andere britische oder internationale Gesetze ignorieren können, etwa das britische Menschenrechtsgesetz oder die Internationale Flüchtlingskonvention. Zudem können Regierungsmitglieder sich über eine Dringlichkeitsanordnung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in Straßburg hinwegsetzen, einen Flug nach Ruanda vorübergehend zu stoppen, solange ein Einzelfall noch geprüft wird.
Londons asylpolitischer Alleingang wurde durch den Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU möglich. Das Gemeinsame Europäische Asylrecht (Geas) lässt auch nach seiner Reform solche Abschiebungen nicht zu.
J.Horn--BTB