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Scharfe Kritik an Besuch Netanjahus in Deutschland
Der Deutschland-Besuch des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu hat in Israel wie in Deutschland massive Kritik und Proteste ausgelöst. Netanjahu wurde am Mittwochabend zu einem zweitägigen Staatsbesuch in Berlin erwartet. In Israel verabschiedeten Demonstranten den Regierungschef am Flughafen in Tel Aviv mit Plakaten, auf denen "Komm nicht zurück" zu lesen war. In Deutschland lebende israelische Aktivisten kündigten Proteste am Brandenburger Tor an.
Netanjahu sollte gegen 21.00 Uhr in Berlin landen. Es ist sein erster Staatsbesuch in Deutschland seit seinem Amtsantritt im Dezember an der Spitze einer ultrarechten Regierung. Für Donnerstag standen Treffen mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier auf dem Programm.
Netanjahu steht wegen der Gesetzespläne seines rechts-religiösen Kabinetts zum Umbau der Justiz und einer Verschärfung des Konflikts mit den Palästinensern derzeit erheblich unter Druck.
Der Direktor der Bildungsstätte Anne Frank, Meron Mendel, sagte, angesichts der Bestrebungen des israelischen Ministerpräsidenten, gemeinsame demokratische Werte abzuschaffen, sei die Einladung zum "denkbar schlechtesten Zeitpunkt" erfolgt. Die Bundesregierung hätte dem Büro Netanjahu klar sagen sollen, dass ein Besuch zum aktuellen Zeitpunkt nicht denkbar sei, sagte Mendel dem Bayerischen Rundfunk.
Denn die deutsch-israelische Freundschaft basiere auf gemeinsamen Werten. Es müsse bei der Bundesregierung "endlich mal ankommen", dass mit einer "rechtsextremen israelischen Regierung keine Geschäfte gemacht werden" könnten.
Auch in Deutschland lebende jüdische Künstler forderten die Bundesregierung auf, Netanjahu bei seinem Besuch keine Bühne zu bieten. In einer am Dienstag veröffentlichten Erklärung warnen sie vor einem "Ende der Demokratie in Israel". Die Regierungspläne zielten darauf ab, "die Gewaltenteilung abzuschaffen und den Schutz der Rechte marginalisierter Gruppen auszuhebeln".
Die Unterzeichner, darunter die Schriftstellerin Eva Menasse und der Künstler Shahak Shapira, fordern die Bundesregierung auf, "sich klar und öffentlich von der antidemokratischen und rassistischen Politik der Regierung Netanjahus zu distanzieren und Stellung zu beziehen".
Zuvor hatten rund tausend israelische Künstler in einem Schreiben unter anderem an den deutschen Botschafter in Israel, Steffen Seibert, eine Absage des Besuches gefordert. Israel befinde sich in der schwersten Krise seiner Geschichte und "auf dem Weg von einer lebendigen Demokratie zu einer theokratischen Diktatur", begründeten sie die Forderung. Zu den Unterzeichnern gehört unter anderen der prominente Schriftsteller David Grossman.
In Berlin riefen dort lebende Israelis am Mittwoch in Online-Netzwerken zu Protesten gegen Netanjahus Besuch auf. Unter dem Motto "Verteidigt Israels Demokratie" kündigten Aktivisten für Donnerstagnachmittag eine Demonstration am Brandenburger Tor an. Regierungssprecher Steffen Hebestreit hatte angesichts der Kritik an Netanjahus Besuch gesagt, dieser sei der "gewählte Premierminister Israels und damit auch normaler Gast in Deutschland".
Am Donnerstagvormittag ist zunächst ein gemeinsamer Besuch Netanjahus mit Bundeskanzler Scholz am Berliner Gedenkort Gleis 17 vorgesehen, bevor beide Politiker im Kanzleramt zu Gesprächen zusammenkommen. Nach Angaben von Netanjahus Büro soll bei dem Treffen vor allem die Bedrohung durch den Iran im Fokus stehen. Auch eine Beschaffung des von Israel und den USA hergestellten Raketenschutzschirms Arrow 3 durch Deutschland dürfte Thema sein.
Nach Ansicht des Nahost-Experten Peter Lintl von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) hat der Deutschland-Besuch Netanjahus auch einen innenpolitischen Hintergrund: "Er soll den politisch enorm unter Druck geratenen Netanjahu entlasten und ihm eine Bühne bieten, auf der er strahlen kann", schrieb Lintl in einem Gastbeitrag für den "Tagesspiegel" (Mittwochsausgabe).
Dass dessen Regierung international an Ansehen verliere, führt Lintl auf Netanjahus "rechte, antiliberale" Koalition zurück. Sie verfolge "eine Politik, die den Staat Israel grundlegend verändern soll", treibe eine Politik "maximaler Konfrontation gegenüber den Palästinensern" voran und wende sich "nachdrücklich von einer Zweistaatenlösung ab".
K.Thomson--BTB