Berliner Tageblatt - FDP sieht Verhandlungen zu Kindergrundsicherung in Sackgasse

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FDP sieht Verhandlungen zu Kindergrundsicherung in Sackgasse
FDP sieht Verhandlungen zu Kindergrundsicherung in Sackgasse / Foto: © AFP/Archiv

FDP sieht Verhandlungen zu Kindergrundsicherung in Sackgasse

Anhaltender Streit in der Ampel-Koalition stellt eines der zentralen sozialpolitischen Reformvorhaben der Bundesregierung in Frage - die Kindergrundsicherung. Die FDP warf Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) am Mittwoch vor, immer noch keinen verhandlungsfähigen Vorschlag vorgelegt zu haben. Weitere Verhandlungen seien bei diesem Sachstand nicht sinnvoll. SPD und Grüne widersprachen vehement - und warnten die FDP davor, von bereits getroffenen Vereinbarungen in der Koalition wieder abzurücken.

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Der stellvertretende FDP-Fraktionschef Christoph Meyer sieht die koalitionsinternen Gespräche in der Sackgasse. "Warum die Familienministerin an illusorischen Forderungen festhält, die nicht umsetzbar sind, weiß nur sie", sagte er der Nachrichtenagentur AFP. Die Kritik der FDP entzündet sich vor allem an dem Vorhaben von Paus, zur Auszahlung der geplanten Kindergrundsicherung 5000 neue Arbeitsstellen in der Verwaltung einzurichten. Dies sei "vollkommen realitätsfern", betonte Meyer.

Die stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Gyde Jensen sagte dem Medienportal "Table.Briefings", Ministerin Paus habe bislang keinen Gesetzentwurf präsentieren können, "der dem Ziel der Bekämpfung von Kinderarmut in irgendeiner Weise entsprechen" könne. "Umso schwerer wird es, über dieses Projekt weiter seriös zu verhandeln, wenn man ein so fragwürdiges Verständnis von einer Bringschuld des Staates in der Sozialpolitik hat."

SPD-Fraktionsvize Sönke Rix geht nach eigenen Angaben von weiteren Gesprächen in der Koalition über das Vorhaben aus. "Selbstverständlich wird weiterverhandelt", erklärte Rix auf AFP-Anfrage. "Da wir es hier mit einer der größten und schwierigsten Sozialreformen der vergangenen Jahre zu tun haben, an der viele Schnittstellen und grundlegende administrative Umstrukturierungen hängen, müssen wir umso gründlicher verhandeln - und nicht die Verhandlungen aufkündigen." Aus SPD-Sicht müsse der vorliegende Entwurf nachgebessert werden.

Grünen-Fraktionsvizechefin Maria Klein-Schmeink wies darauf hin, dass der Gesetzentwurf von Paus bereits im September vom ganzen Kabinett beschlossen worden sei - mit Zustimmung auch der FDP-geführten Ministerien. "Im Interesse der Kinder und Familien sind jetzt alle gefordert, mit uns gemeinsam die Kindergrundsicherung konstruktiv umzusetzen", erklärte Klein-Schmeink. "Für einige wenige Fragen werden derzeit noch Lösungen abgestimmt."

Paus hatte kürzlich in der "Rheinischen Post" die geplanten 5000 neuen Behördenstellen für die Auszahlung der Leistung mit einer "Bürokratieentlastung für die Bürger" und einer "Bringschuld des Staates" begründet. Diese Äußerungen ließen sie "ratlos zurück", sagte FDP-Politikerin Jensen. Paus habe sich mit ihren jetzigen Vorstellungen "meilenweit vom Koalitionsziel entfernt". Dieses habe darin bestanden, "bestehende Leistungen für Familien zu bündeln und diese digital zugänglich zu machen".

Die Koalition hatte sich im vergangenen Sommer auf die Kindergrundsicherung geeinigt, viele Details der Umsetzung sind aber noch offen. Bisher ist geplant, dass das Gesetz 2025 in Kraft treten soll - an diesem Zeitplan gibt es inzwischen allerdings auch koalitionsintern Zweifel.

"Da die Kindergrundsicherung so komplex ist und der Regierungsentwurf unseren Zielen nicht ausreichend gerecht geworden ist, werden wir nicht umhinkommen, diese schrittweise einführen", sagte dazu SPD-Fraktionsvize Rix. "Allerdings muss dann auch jede Stufe schon jetzt im Kindergrundsicherungsgesetz verbindlich geregelt werden."

Der Entwurf des Familienministeriums sieht vor, dass die Eltern ihr Kind für die Kindergrundsicherung anmelden und ihr Einverständnis geben, dass Daten abgeglichen werden können. Mehr müssten sie laut Familienministerium nicht tun. Die Behörden sollen dann "potentielle Anspruchsberechtigte proaktiv zur Beantragung der Leistung" ansprechen. Leistungen müssen also nicht mehr nachgefragt werden, sondern werden aktiv angeboten - laut Entwurf "ein Paradigmenwechsel weg vom Prinzip der Holschuld hin zum Prinzip der Bringschuld".

Bisherige Leistungen wie das Kindergeld oder der Kinderzuschlag für ärmere Familien sollen gebündelt werden. Die Ampel-Regierung will so Kinderarmut effektiver bekämpfen. In der Koalition haben sich vor allem die Grünen für die Kindergrundsicherung stark gemacht.

J.Fankhauser--BTB