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"Zwei verlorene Jahre": BDI-Präsident Russwurm kritisiert Kanzler Scholz scharf
Der Präsident des Industrieverbands BDI, Siegfried Russwurm, hat Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und dessen Umgang mit der aktuellen Wirtschaftskrise im Land scharf kritisiert. Im Kanzleramt werde "der Ernst der Lage offenbar unterschätzt", sagte er der "Süddeutschen Zeitung" vom Mittwoch. "Es waren zwei verlorene Jahre – auch wenn manche Weichen schon in der Zeit davor falsch gestellt wurden", sagte er mit Blick auf die bisherige Regierungszeit der "Ampel".
Die Regierung bleibe zwar auch nach gut zwei Jahren im Amt ein wichtiger Gesprächspartner für die Industrie, fuhr Russwurm fort. Während jedoch die Unternehmensverbände mit Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) regelmäßig im Gespräch seien, sei von Scholz häufig nur das Zitat zu hören: "Die Klage ist das Lied des Kaufmanns."
Das Ergebnis dieser fehlgeleiteten Politik sei, "dass wir im Trend deutlich langsamer wachsen als fast alle vergleichbaren Länder und viele EU-Nachbarn", sagte der BDI-Präsident weiter. "Das heißt: Wir verlieren ihnen gegenüber kontinuierlich Marktanteile." Statt sich wie in der Vergangenheit die Arbeitslosenquote zur Beurteilung der Wirtschaftslage anzuschauen, müsse das Wirtschaftsministerium den Fokus auf die Investitionen legen. "Und da sieht es weniger gut aus."
Russwurm forderte vor diesem Hintergrund eine ehrliche Debatte darüber, welche Industrien sich Deutschland angesichts der veränderten Weltlage noch leisten könne und wolle und zu welchen Bedingungen. "Wenn uns strategische Souveränität wichtig ist, müssen wir in Kauf nehmen, dass auch sie ihren Preis hat und die höheren Kosten akzeptieren", sagte er. Dann seien im Einzelfall auch Subventionen vertretbar.
Die hohen Summen für Halbleiterfirmen weltweit gefielen ihm zwar auch nicht, sagte der BDI-Präsident. "Aber wenn Deutschland hier den einzigen Aufrechten gibt, der sich dem Spiel verweigert, dann gehen wir nicht nur bei Fabriken leer aus, sondern uns geht auch extrem wichtiges Knowhow verloren." Klar sei aber auch, dass manche Industrie mittelfristig aus Deutschland verschwinden werde - etwa die Ammoniak-Herstellung.
Vize-Regierungssprecherin Christiane Hoffmann sagte zu den Vorwürfen seitens des BDI, der Bundeskanzler sowie auch die gesamte Bundesregierung nähmen "die Sorgen der deutschen Wirtschaft sehr ernst". Erst im vergangenen Monat habe sich Scholz in München beim Spitzengespräch der Deutschen Wirtschaft mit den Verbänden ausgetauscht und es werde "weitere Gelegenheiten zum Austausch" geben.
In einem offenen Brief an Scholz hatten die Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft im Januar Reformen für einen wirtschaftlichen Aufbruch im Land gefordert. Sie zeigten sich besorgt, dass der Standort Deutschland an Attraktivität verliere und forderten unter anderem schnellere Genehmigungsverfahren, konkurrenzfähige Strompreise und eine Steuerreform.
Finanzminister Lindner untermauerte seinerseits die Forderung nach steuerlichen Entlastungen für Unternehmen untermauert. "Die Unternehmenssteuern müssen baldmöglichst von rund 30 Prozent effektiver Belastung runter Richtung 25 Prozent", sagte er der "Rheinischen Post". Das sei nötig, um die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft aufrechtzuerhalten. Ein möglicher Hebel sei die Abschaffung des Solidaritätszuschlags, der aktuell fast nur noch von der Wirtschaft gezahlt werde.
J.Horn--BTB