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Großbritannien kritisiert EGMR-Eingreifen bei Abschiebungen nach Ruanda
Die britische Innenministerin Priti Patel hat das Eingreifen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) bei von London geplanten Abschiebeflügen nach Ruanda scharf kritisiert. "Die undurchsichtige Arbeitsweise dieses Gerichts ist absolut skandalös. Das muss hinterfragt werden", sagte Patel dem "Daily Telegraph" (Samstagsausgabe). Sie gehe davon aus, dass die Entscheidung "politisch motiviert" gewesen sei.
Die britische Regierung wollte in dieser Woche erstmals illegal nach Großbritannien gekommene Asylsuchende nach Ruanda bringen. Zu diesem Zweck hat London ein Abkommen mit der Regierung in Kigali abgeschlossen. Gegen Geld sollen die Menschen in dem ostafrikanischen Land untergebracht werden, um andere Menschen abzuschrecken, die Überfahrt über den Ärmelkanal nach Großbritannien zu versuchen.
Ursprünglich sollten 130 Asylbewerber an Bord des Fluges am späten Dienstagabend sein, aber die Zahl wurde nach einer Reihe rechtlicher Anfechtungen aus Menschenrechtsgründen immer kleiner. Am Dienstag hätte London nur noch eine Handvoll Migranten ausfliegen können. Auch diese Abschiebungen wurden dann schließlich durch das Eingreifen des Straßburger EGMR gestoppt.
Patel sagte nun in dem Zeitungsinterview, der Regierung sei die Identität der verantwortlichen EGMR-Richter nicht mitgeteilt worden. Zudem habe sie die vollständige Entscheidung des Gerichts erst später einsehen können.
Patels Darstellung, die Entscheidung des europäischen Gerichts habe eine politische Dimension, passt in Londons Narrativ von einer Bedrohung der britischen Souveränität durch europäische Institutionen. Allerdings gehört der EGMR nicht zur Europäischen Union, aus der Großbritannien ausgetreten ist. Der Gerichtshof ist das Justizorgan des Europarats und überwacht die Einhaltung der Europäischen Menschenrechtskonvention, die Großbritannien 1950 mitverfasst hatte.
Der britische Premierminister Boris Johnson steht durch eine Rekordzahl ankommender Flüchtlinge politisch stark unter Druck. Er hatte im Wahlkampf eine deutlich striktere Einwanderungspolitik nach dem Brexit angekündigt. Seine Regierung erwägt nun, das britische Menschenrechtsgesetz neu zu fassen, um Abschiebungen zu erleichtern. Dieses Gesetz fußt auf der Europäischen Menschenrechtskonvention.
H.Seidel--BTB