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Ultrarechte Meloni übernimmt die Regierungsgeschäfte in Italien
Historische Zäsur in Italien: Seit dem Wochenende wird das EU-Gründungsland von der am weitesten rechts stehenden Regierung seit 1946 geführt. Am Sonntag übernahm die neue Ministerpräsidentin Giorgia Meloni von der ultrarechten Partei Fratelli d'Italia (FDI) formell die Regierungsgeschäfte von ihrem pro-europäischen Vorgänger Mario Draghi. Spitzenvertreter der EU und Nato gratulierten der 45-Jährigen und boten ihr eine konstruktive Zusammenarbeit an.
Die Rechtsaußenpolitikerin Meloni ist die erste Frau an der Spitze einer italienischen Regierung. Am Samstag hatten Meloni und ihre 24 Ministerinnen und Minister ihren Amtseid abgelegt. Neuer Außenminister ist der ehemalige Präsident des Europaparlaments, Antonio Tajani, von der konservativen Forza Italia (FI). Der rechte Hardliner und ehemalige Innenminister Matteo Salvini von der rechtsnationalen Lega-Partei ist neuer Verkehrsminister.
Das Amt des Wirtschaftsministers in der drittgrößten Volkswirtschaft der EU hat Giancarlo Giorgetti von der Lega inne, der bereits dem Kabinett Draghi angehörte. Der 55-jährige Giorgetti gilt als moderater Vertreter seiner Partei.
Bei der Übernahme der Regierungsgeschäfte sprachen Draghi und Meloni mehr als eine Stunde am Regierungssitz miteinander. Danach überreichte Draghi ihr ein silbernes Glöckchen, welches der Regierungschef bei Debatten im Kabinett benutzt. Anschließend wollte Meloni die erste Kabinettssitzung ihrer Regierung leiten.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) gratulierte Meloni zu ihrem Amtsantritt. Er freue sich darauf, "weiterhin eng mit Italien in der EU, Nato und G7 zusammenzuarbeiten", schrieb Scholz auf Twitter. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen erklärte nach einem Telefonat mit Meloni: "Wir werden zusammenarbeiten, um die kritischen Herausforderungen unserer Zeit anzugehen, von der Ukraine bis zur Energie."
Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg schrieb auf Twitter an die Adresse Melonis: "Italien ist ein Gründungsmitglied der Nato, bekennt sich zu der transatlantischen Verbindung und leistet starke Beiträge zu unserer Sicherheit in einer gefährlicher gewordenen Welt. Ich freue mich darauf, mit Ihnen zusammenzuarbeiten."
Meloni antwortete auf Stoltenbergs Glückwünsche mit der Zusage, dass sie mit der Nato kooperieren wolle. Die Nato sei "mehr als eine militärische Allianz", sie sei "eine Bastion gemeinsamer Werte".
An der Treue der von Meloni angeführten Rechtsregierung zur EU und Nato bestehen allerdings erhebliche Zweifel. Melonis Koalitionspartner Salvini und Silvio Berlusconi von Forza Italia haben sich wiederholt positiv über den russischen Staatschef Wladimir Putin geäußert.
Meloni hat sich indessen klar gegen den russischen Angriffskrieg in der Ukraine positioniert. Italien stehe auf der Seite "des tapferen Volkes der Ukraine, das für seine Freiheit und einen gerechten Frieden kämpft", erklärte sie am Samstag.
Glückwünsche an Meloni kamen aus dem Lager der europäischen Rechtspopulisten. "Ein großer Tag für die europäische Rechte", schrieb Ungarns Regierungschef Viktor Orban auf Twitter. "Überall in Europa kommen die Patrioten an die Macht und mit ihnen das Europa der Nationen, das wir uns wünschen", erklärte die französische Rechtspopulistin Marine Le Pen.
Das von den FDI angeführte Rechtsbündnis hatte sich bei den Wahlen Ende September die absolute Mehrheit in beiden Kammern des Parlaments gesichert. Melonis Regierung steht vor gewaltigen Aufgaben. Die Inflation stieg im September im Jahresvergleich um 8,9 Prozent, im kommenden Jahr droht eine Rezession. Der Handlungsspielraum wird durch eine gigantische Schuldenlast von 150 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) eingeschränkt - nach Griechenland die höchste Schuldenquote in der Eurozone.
Meloni hatte in den Wochen vor der Wahl versucht, das Etikett "postfaschistisch" loszuwerden, das ihrer Partei anhaftet. Die FDI hatte das Erbe der rechtsradikalen Movimento Sociale Italiano (MSI) angetreten, die in den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg ein Sammelbecken für Nostalgiker der faschistischen Gewaltherrschaft unter Diktator Benito Mussolini war.
J.Horn--BTB