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Neue Gefechte in Südsyrien - Seit Sonntag 80.000 Vertriebene
Einen Tag nach dem Abzug der Regierungstruppen aus dem Konfliktgebiet in Südsyrien haben sich bewaffnete Stammesmilizen und Kämpfer der Drusen Gefechte geliefert. Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte berichtete am Freitag, die Stammeskämpfer seien mit Unterstützung von Regierungstruppen nach Suweida gelangt. Bundesaußenminister Johann Wadephul (CDU) rief die syrische Übergangsregierung dazu auf, Minderheiten wie die Drusen zu schützen. Laut UNO wurden seit dem Beginn der Kämpfe am Sonntag fast 80.000 Menschen vertrieben.
In der Provinz Suweida hatten am Sonntag Gefechte zwischen Kämpfern der islamischen Minderheit der Drusen und sunnitischen Beduinen begonnen. Beide Volksgruppen sind bereits seit Längerem verfeindet. Die Übergangsregierung in Damaskus entsandte am Montag Truppen in das Gebiet im Süden des Landes. Nach der Verkündung einer Waffenruhe am Mittwoch verkündete die Regierung am Donnerstag den Abzug ihrer Truppen. Am Freitag versammelten sich zur Unterstützung der Beduinen weitere Kämpfer, die verschiedenen syrischen Stämmen angehören, in Dörfern nahe der Provinzhauptstadt Suweida.
Stammeschef Anas al-Enad aus der zentralsyrischen Stadt Hama sagte der Nachrichtenagentur AFP, die Beduinen hätten ihn und seine Männer um Hilfe gebeten. Den Angaben der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte zufolge unterstützten Regierungskräfte die Ankunft der Stammeskämpfer, da die Regierungstruppen selbst aufgrund einer Vereinbarung mit Israel nicht nach Suweida könnten. Die syrische Präsidentschaft hatte den drusischen Kämpfern vorgeworfen, die Waffenruhe verletzt zu haben.
Die israelische Armee wies indes Berichte zurück, wonach sie in der Nacht zum Freitag erneut Luftangriffe auf die Stadt Suweida verübt habe. Die staatliche syrische Nachrichtenagentur Sana hatte einen israelischen Angriff gemeldet, nachdem die Regierungstruppen sich zurückgezogen hatten. Israel verlangt den Abzug der syrischen Regierungstruppen aus der Drusen-Region nahe der Grenze zu Israel. Das israelische Außenministerium kündigte indes die Entsendung von Hilfslieferungen für die Drusen an.
Der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte zufolge wurden bei den Kämpfen seit Sonntag fast 600 Menschen getötet, darunter über 150 Zivilisten. Die in Großbritannien ansässige Beobachtungsstelle bezieht ihre Informationen von einem Netzwerk von Aktivisten vor Ort. Ihre Angaben können oft nicht unabhängig überprüft werden.
Ein Arzt des öffentlichen Krankenhauses in Suweida sagte AFP, in der Klinik seien seit Montagmorgen mehr als 400 Leichen angeliefert worden. "Es gibt kein Platz mehr in den Leichenhallen, die Toten liegen auf den Straßen" vor dem Krankenhaus, schilderte er.
Die Stadt Suweida wurde durch die Kämpfe schwer beschädigt. Die mehrheitlich drusischen Bewohnerinnen und Bewohner haben teilweise keinen Zugang zu Trinkwasser und Strom, Telefon- und Internetverbindungen sind lahmgelegt. Der Chefredakteur der lokalen Nachrichtenplattform "Suwayda 24" sagte AFP, die humanitäre Lage sei "katastrophal". "Wir finden keine Milch für Kinder", fügte er hinzu.
Der UN-Hochkommissar für Menschenrechte, Volker Türk, forderte ein Ende des Blutvergießens und verlangte eine sofortige und unabhängige Untersuchung der Ereignisse. Der Internationalen Organisation für Migration zufolge wurden wegen der Kämpfe seit Sonntag 79.339 Menschen vertrieben, davon alleine 20.019 am Donnerstag.
Bundesaußenminister Wadephul bezeichneten die Situation in Suweida als "hoch Besorgnis erregend". "Die syrische Übergangsregierung hat dann unsere Unterstützung, wenn sie sich für einen integrativen Prozess in Syrien einsetzt, wenn sie Menschen schützt, und wenn sie nicht zulässt, dass Menschen besonderer religiöser Zugehörigkeit oder ethnischer Gruppen verfolgt oder gar getötet werden", sagte er nach einem Treffen mit seinem französischen Kollegen Jean-Noël Barrot in Paris. Beide Minister hatten laut Wadephul gemeinsam ihren syrischen Amtskollegen kontaktiert und einen besseren Schutz der Bevölkerung angemahnt.
Der russische Präsident Wladimir Putin äußerte in einem Telefonat mit seinem türkischen Kollegen Recep Tayyip Erdogan nach Angaben des Kreml seine "tiefe Besorgnis" über die Kämpfe. Beide hätten "die Wichtigkeit" betont, "die Situation schnell durch Dialog zu stabilisieren", erklärte der Kreml. Erdogan warnte nach Angaben seines Büros, die Gewalt stelle "eine Gefahr für die gesamte Region" dar. Erdogan betonte in dem Telefonat mit Putin zudem, Israel dürfe die syrische Souveränität nicht verletzen, wie das türkische Präsidialamt mitteilte
Seit dem Sturz des langjährigen Machthabers Baschar al-Assad im Dezember hat die Sorge um die Rechte und die Sicherheit von Minderheiten in Syrien zugenommen. Die islamistische Regierung in Damaskus ist dem Vorwurf ausgesetzt, Minderheiten wie Alawiten, Drusen oder Kurden nicht ausreichend zu schützen.
N.Fournier--BTB