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Papst in Marseille: Seenotrettung von Migranten ist "Pflicht der Menschlichkeit"
Papst Franziskus hat bei seinem Besuch in der südfranzösischen Hafenstadt Marseille mit bewegenden Worten zur Rettung von Flüchtlingen im Mittelmeer aufgerufen. "Menschen, die zu ertrinken drohen, weil sie im Meer ausgesetzt sind, müssen gerettet werden. Das ist eine Pflicht der Menschlichkeit, eine Pflicht der Zivilisation", sagte der Papst am Freitag bei einer Gedenkfeier für Flüchtlinge, die über das Mittelmeer nach Europa zu gelangen versuchen und bei der gefährlichen Überfahrt oft ums Leben kommen.
In diesem Jahr sind bereits mehr als 2000 Menschen auf der Flucht über das Mittelmeer gestorben. "Gewöhnen wir uns nicht daran, die Bootsunglücke als Nachrichten und die Toten des Meeres als Zahlen zu betrachten: Sie haben Namen und Vornamen, Gesichter und Geschichten", betonte der Papst an einer Gedenkstätte neben der Kirche Notre-Dame de la Garde, von wo aus die Teilnehmenden einen weiten Blick auf das Meer hatten. An der Gedenkfeier nahmen Vertreter mehrerer Religionsgemeinschaften teil.
"Wir können nicht länger die Tragödien von Schiffsunglücken mit ansehen, die durch Menschenhandel und den Fanatismus der Gleichgültigkeit verursacht werden", fügte der Papst hinzu. Einmal mehr nannte er das Mittelmeer einen "riesigen Friedhof", auf dem die Menschen sogar ihr Recht auf eine Grabstätte verloren hätten.
Sein lange geplanter Besuch, der ein Treffen von Bischöfen und jungen Menschen aus Mittelmeer-Anrainerstaaten beschließt, fällt mit der jüngsten Krise auf der italienischen Insel Lampedusa und der Debatte über ein neues Einwanderungsgesetz in Frankreich zusammen.
Frankreich "wird keine Flüchtlinge aufnehmen", hatte Frankreichs Innenminister Gérald Darmanin kürzlich mit Blick auf die Tausenden in Lampedusa eingetroffenen Migranten aus Afrika gesagt. Er gehe davon aus, dass die meisten ohnehin kein Recht auf Asyl hätten, erklärte er und bot Italien an, bei der Rückführung zu helfen.
Die linke Opposition appellierte an Präsident Emmanuel Macron, dem Aufruf des Papstes zu mehr Barmherzigkeit mit den Migranten Folge zu leisten. "Es ist eine menschliche Botschaft zu einem Zeitpunkt, zu dem der Präsident erneut ein Gesetz auf den Weg bringen will, das die Aufnahme von Migranten erschwert", sagte die linkspopulistische Abgeordnete Clémentine Autain.
Ihre Partei lud am Freitag in Marseille zu einem Akt der Solidarität "mit den Opfern der Anti-Migranten-Barbarei". Es sei ein "nicht-religiöses Echo der Aktion der Gläubigen, die sich mit dem Papst versammeln", betonte die linke Partei La France Insoumise (LFI).
Franziskus' Eintreten für die Migranten, die über das Mittelmeer nach Europa kommen, dürfte allerdings auch bei einem Teil der Gläubigen auf taube Ohren stoßen: Bei der Präsidentschaftswahl in Frankreich im vergangenen Jahr hatten etwa 40 Prozent der katholischen Wähler in der ersten Runde für migrantenfeindliche Kandidaten am rechten Rand gestimmt.
Der Papst komme nicht, "damit wir auf ihn schauen, sondern damit wir zusammen auf das Mittelmeer schauen", hatte der Erzbischof von Marseille, Jean-Marc Aveline, gesagt, der den Papst eingeladen hatte.
Ein Treffen mit Macron ist für den späten Samstagvormittag im Palais du Pharo in Marseille geplant. Dabei sollten die Lage in der Ukraine und im Sahel angesprochen werden, aber auch Migrationsfragen und der Kampf gegen den Klimawandel, hieß es aus dem Elysée.
Macron will außerdem am Nachmittag an der Abschlussmesse des Papstes im Fußballstadion von Marseille teilnehmen. Wegen der strengen Trennung von Religion und Staat sorgt die Anwesenheit des Präsidenten bei dem Gottesdienst für Debatten. Die linkspopulistische Partei LFI zeigte sich überzeugt, dass dies nicht mit dem Grundsatz der Laizität vereinbar sei.
Es ist das erste Mal seit dem 16. Jahrhundert, dass ein Papst Marseille besucht. Benedikt XVI. hatte 2008 Paris und Lourdes besucht. Johannes Paul II. war acht Mal nach Frankreich gereist. Franziskus hatte 2014 im EU-Parlament in Straßburg eine Rede gehalten.
D.Schneider--BTB