Berliner Tageblatt - Israels Präsident setzt Vermittlungsgespräche über Justizreform fort

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Israels Präsident setzt Vermittlungsgespräche über Justizreform fort
Israels Präsident setzt Vermittlungsgespräche über Justizreform fort / Foto: © AFP

Israels Präsident setzt Vermittlungsgespräche über Justizreform fort

Präsident Isaac Herzog hat seine Vermittlungsgespräche zur heftig umstrittenen Justizreform in Israel am Mittwoch mit drei kleinen Parteien fortgesetzt. "Wir sind gegen die offensichtlichen Versuche, den Protest gegen die Reformen zu vereiteln", erklärte das arabisch geführte Hadasch-Taal-Bündnis nach dem Treffen mit dem Staatschef in Jerusalem. Auf Kritik von US-Präsident Joe Biden am Kurs seiner Regierung erwiderte Ministerpräsident Benjamin Netanjahu derweil, seine Regierung werde sich "keinem Druck von außen beugen".

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Herzog hatte am Dienstagabend in seiner Residenz in Jerusalem ein erstes "Dialogtreffen" zu der Justizreform geführt. Daran nahmen Vertreter der ultrarechten Regierungskoalition und der zwei wichtigsten Oppositionsparteien teil. Herzogs Büro teilte danach mit, das Treffen habe "in einer positiven Atmosphäre" stattgefunden.

Zu den drei kleinen Parteien, mit denen der Präsident dann am Mittwoch sprach, gehört das säkulare arabische Bündnis Hadasch-Taal. "Wir haben kein Vertrauen in Netanjahus Verschiebungsankündigung aufgrund der Erfahrungen in der Vergangenheit", erklärte Hadasch-Taal danach.

Die Bundesregierung begrüßte die Gespräche zwischen Regierung und Opposition. Als "Zwischenschritt" sei dies eine "gute Nachricht", sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit in Berlin. Auch, "dass die Lage sich womöglich etwas entspannt", sei eine gute Nachricht.

Nach wochenlangen Massendemonstrationen und landesweiten Streiks aus Protest gegen die Justizreform hatte Netanjahu am Montagabend in einer dramatischen Kehrtwende verkündet, das Gesetzgebungsverfahren pausieren zu lassen, um im Dialog mit den Gegnern nach einer einvernehmlichen Lösung zu suchen.

Die Opposition reagierte zunächst skeptisch, signalisierte aber grundsätzliche Gesprächsbereitschaft. In einer gemeinsamen Mitteilung der größten Oppositionsparteien Jesch Atid und der Nationalen Einheitspartei warnten beide am Dienstag allerdings, die Gespräche würden sofort beendet, "wenn das Gesetz auf die Agenda des Parlaments gesetzt wird".

Biden sagte vor Journalisten bei einem Besuch im US-Bundesstaat North Carolina, er sei "sehr beunruhigt" über den Kurs der israelischen Regierung. "Israel kann diesen Weg nicht fortsetzen", kritisierte er. Er hoffe, "dass der Ministerpräsident einen ernsthaften Kompromiss aushandelt, aber das bleibt abzuwarten". Vorerst werde er Netanjahu nicht nach Washington einladen.

Netanjahu erwiderte, er begrüße Bidens "langjährigen Einsatz für Israel", werde sich aber keinem Druck beugen: "Israel ist ein souveränes Land, das seine Entscheidungen nach dem Willen des Volkes trifft und nicht durch Druck von außen, einschließlich der besten Freunde."

Am Mittwoch betonte Netanjahu dann, dass Israels Bündnis mit den USA "unerschütterlich" sei. "Nichts kann daran etwas ändern", sagte er in einer virtuellen Rede bei einem Demokratie-Gipfel in Washington. An internationale Kritiker gerichtet, versprach der Ministerpräsident, dass Israel "eine stolze, starke und lebendige Demokratie als Leuchtturm der Freiheit und des gemeinsamen Wohlstandes im Herzen des Nahen Ostens war, ist und immer bleiben wird".

Ein Ende der Proteste gegen das Vorhaben von Netanjahus rechtsgerichteter Koalition zeichnet sich allerdings weiterhin nicht ab.

Bei der angekündigten Pause in dem Reformvorhaben handele es sich um einen "weiteren Versuch Netanjahus", die israelische Öffentlichkeit zu manipulieren, um "den Protest zu schwächen und dann eine Diktatur zu errichten", erklärte die Sammelbewegung der Demonstrierenden. Eines der Bündnisse hinter den Protesten will weiter demonstrieren, "solange der Staatsstreich gegen die Justiz nicht komplett gestoppt ist".

Unterdessen wurde eine Erklärung Netanjahus erwartet, ob seine Entlassung von Verteidigungsminister Joav Gallant noch gilt. Der am Sonntag wegen seiner Kritik an der Justizreform entlassene Minister nahm nach Regierungsangaben am Mittwoch in offizieller Funktion am Start eines neuen Spionagesatelliten teil.

Die Reformpläne der Regierung zielen darauf ab, die Befugnisse der Justiz einzuschränken. Netanjahu, gegen den ein Prozess wegen Korruption läuft, stellt die Reform als notwendig dar, um das Gleichgewicht in der Gewaltenteilung wiederherzustellen. Kritiker befürchten hingegen eine Aufhebung der Gewaltenteilung und damit eine Aushöhlung der Demokratie.

P.Anderson--BTB