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Iranische Demonstranten gehen trotz Warnung der Behörden erneut auf die Straße
Trotz einer Warnung der Justizbehörden sind am Sonntag im Iran erneut zahlreiche Demonstranten nach dem Tod der jungen Mahsa Amini auf die Straße gegangen. Die Menschenrechtsorganisation Iran Human Rights (IHR) in Oslo veröffentlichte Bilder von Demonstranten in Teheran, die "Tod dem Diktator" riefen. Augenzeugen berichteten der Nachrichtenagentur AFP von Protesten in mehreren Ortschaften, unter anderem in Tabris und Schiras.
Der Leiter der iranischen Justizbehörden, Gholamhossein Mohseni Edschei, kündigte am Sonntag ein "entschlossenes Vorgehen ohne Nachsicht" gegen die Verantwortlichen der "Unruhen" an. Zuvor hatte auch Staatschef Ebrahim Raisi die Sicherheitskräfte zu einem "entschiedenen Vorgehen" gegen die Demonstrierenden aufgefordert.
Bislang wurden bei den Protesten nach offiziellen Angaben 41 Menschen getötet. Die Organisation IHR gab die Zahl der getöteten Demonstranten am Sonntagabend mit mindestens 57 an.
Die 22-jährige Mahsa Amini war am 13. September von der Sittenpolizei wegen des Vorwurfs festgenommen worden, das islamische Kopftuch nicht den strikten Vorschriften entsprechend getragen zu haben. Amini brach nach ihrer Festnahme unter ungeklärten Umständen auf der Polizeiwache zusammen und wurde drei Tage später im Krankenhaus für tot erklärt.
Aminis Tod löste landesweite Proteste aus, die inzwischen seit zehn Tagen andauern. Seit Beginn der Proteste wurden hunderte Menschen festgenommen, der Zugang zu Internet und Online-Diensten wurde eingeschränkt.
Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International wirft den Sicherheitskräften vor, "vorsätzlich und rechtswidrig" scharfe Munition einzusetzen, um Protestierende auseinanderzutreiben. Demonstranten warfen ihrerseits mit Steinen und steckten Polizeiautos sowie staatliche Gebäude in Brand.
In zahlreichen Städten weltweit - unter anderem in Berlin, Brüssel, Istanbul, Madrid, New York und Paris - fanden Kundgebungen zur Unterstützung der iranischen Proteste statt. In Paris setzte die Polizei am Sonntag Tränengas ein, um hunderte Demonstranten daran zu hindern, die Absperrungen nahe der iranischen Botschaft zu durchbrechen. Insgesamt nahmen nach Polizeiangaben rund 4000 Menschen an der Demonstration teil.
In London wurden nach Polizeiangaben fünf Demonstranten festgenommen, die ebenfalls versucht hatten, gewaltsam zur iranischen Botschaft vorzudringen.
Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell verurteilte am Sonntag das harte Vorgehen der iranischen Sicherheitskräfte gegen die Proteste als "ungerechtfertigt und inakzeptabel".
Das iranische Außenministerium gab dem Erzfeind USA die Schuld an den Protesten und warnte vor einer Reaktion des Irans. Am Sonntag erklärte das Ministerium zudem, dass es den Botschafter Großbritanniens einbestellt habe, um gegen die "Aufforderung zu Krawallen" in Fernsehsendern mit Sitz in London zu protestieren, die auf Farsi senden. Dies werde als "Einmischung in die inneren Angelegenheiten der Islamischen Republik Iran und Handlung gegen die nationale Souveränität unseres Landes" gewertet.
Auch Norwegens Botschafter wurde demnach einbestellt, um Fragen zu "Einmischung und nichtkonstruktiven Kommentaren über innere Angelegenheiten des Irans" zu beantworten, die der Präsident des norwegischen Parlaments gemacht habe.
Am Sonntag wurden unter anderem in Teheran erneut Kundgebungen zur Unterstützung der Regierung abgehalten. Bei der Hauptveranstaltung auf dem Enghelab-Platz im Zentrum Teherans setzten sich die Demonstranten für die Kopftuchpflicht ein. "Märtyrer sind gestorben, damit wir den Hidschab tragen können", sagte die 28-jährige Demonstrantin Nafiseh.
Schon in den vergangenen Tagen waren tausende Menschen einem Aufruf der Behörden gefolgt und für das Tragen von Kopftüchern auf die Straße gegangen.
J.Fankhauser--BTB