Berliner Tageblatt - Gaza-Verhandlungen drohen an unnachgiebiger Haltung beider Seiten zu scheitern

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Gaza-Verhandlungen drohen an unnachgiebiger Haltung beider Seiten zu scheitern
Gaza-Verhandlungen drohen an unnachgiebiger Haltung beider Seiten zu scheitern / Foto: © AFP

Gaza-Verhandlungen drohen an unnachgiebiger Haltung beider Seiten zu scheitern

Die internationalen Bemühungen um eine Feuerpause im Gazastreifen und eine Freilassung von Geiseln drohen offenbar an der unnachgiebigen Haltung beider Kriegsparteien zu scheitern. Wie die Nachrichtenagentur AFP aus Hamas-Kreisen erfuhr, reiste deren Delegation am Sonntag vom Verhandlungsort Kairo ab. Zuvor hatten sich beide Seiten hinsichtlich eines neuen Abkommens unnachgiebig gezeigt. Derweil schloss Israel den wichtigsten Grenzübergang für Hilfsgüter in den Gazastreifen nach Raketenbeschuss.

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Ein Hamas-Vertreter sagte AFP am Sonntag, dass die Gespräche der Hamas mit den internationalen Vermittlern in Kairo vorerst beendet worden seien. Die Hamas-Delegation reise nun "zu weiteren Beratungen nach Doha" weiter.

Zuvor hatte Hamas-Chef Ismail Hanija Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu der "Sabotage" der Gespräche beschuldigt. Netanjahu wolle "ständige Rechtfertigungen für die Fortsetzung der Aggression erfinden", sagte Hanija am Sonntag von seinem Wohnsitz in Doha aus. Hanija gilt als ranghöchster Funktionär der islamistischen Hamas. Deren Politbüro leitet er vom Golfemirat Katar aus.

Netanjahu wolle "den Konfliktkreislauf erweitern und die Bemühungen verschiedener Vermittler und Parteien sabotieren", sagte Hanija weiter. Die Hamas sei "weiterhin bestrebt, ein umfassendes und zusammenhängendes Abkommen zu erreichen, das die Aggression beendet, den Rückzug sicherstellt und einen ernsthaften Gefangenenaustausch erzielt", setzte er hinzu.

Netanjahu wies seinerseits die Hamas-Forderung nach einem Kriegsende entschieden zurück. Israel sei "nicht bereit, eine Situation zu akzeptieren, in welcher die Hamas-Bataillone aus ihren Bunkern kommen und wieder die Kontrolle über den Gazastreifen übernehmen", sagte Netanjahu nach Angaben seines Büros am Sonntag bei einer Kabinettssitzung.

Ein Eingehen auf die Hamas-Forderung würde bedeuten, dass diese "ihre militärische Infrastruktur wieder aufbaut und wieder zu einer Bedrohung für die Menschen in Israel wird", warnte Netanjahu. Eine "Kapitulation" vor den Forderungen der Hamas wäre für Israel eine "schreckliche Niederlage".

Bereits zuvor hatte Israel die Hamas beschuldigt, die Verhandlungen zu blockieren. Ein hochrangiger israelischer Regierungsvertreter bezeichnete die Forderung der Hamas nach einem dauerhaften Waffenstillstand am Samstag als Hindernis in den Verhandlungen. Auch US-Außenminister Antony Blinken hatte die Hamas am Freitag als einziges Hindernis für eine Feuerpause bezeichnet. "Das einzige, was zwischen den Menschen in Gaza und einer Feuerpause steht, ist die Hamas", sagte er.

Die indirekten Verhandlungen in Kairo mit den Vermittlern Katar und Ägyptern wurden ungeachtet der Äußerungen beider Seiten am Samstag aber zunächst wieder aufgenommen. Eine Delegation der Palästinenserorganisation traf dafür zu einer neuen Verhandlungsrunde in Kairo ein. Israel wollte nach eigenen Angaben erst ein Verhandlungsteam in die ägyptische Hauptstadt schicken, wenn es Bewegung in den indirekten Gesprächen gebe.

Die Vermittler USA, Ägypten und Katar hatten seit Tagen auf eine Antwort der Hamas auf den zuletzt unterbreiteten Vorschlag gewartet, die Kämpfe im Gazastreifen für 40 Tage einzustellen und israelische Geiseln gegen palästinensische Häftlinge auszutauschen.

In Tel Aviv demonstrierten am Samstagabend erneut tausende Menschen für die Freilassung der Geiseln. Am Sonntag wandte sich das Forum der Geisel-Familien in einer Erklärung direkt an Netanjahu: "Die Geschichte wird es Ihnen nicht verzeihen, wenn Sie diese Chance verpassen", die Geiseln nach Hause zu bringen, schrieben die Familien mit Blick auf die Verhandlungen in Kairo.

Der Krieg im Gazastreifen war durch den Überfall der von den USA und der EU als Terrororganisation eingestuften Hamas auf Israel am 7. Oktober ausgelöst worden. Die islamistischen Kämpfer und mit ihnen verbündete militante Palästinensergruppen hatten damals israelische Ortschaften überfallen und nach israelischen Angaben etwa 1170 Menschen getötet. Zudem verschleppten sie rund 250 Menschen als Geiseln in den Gazastreifen.

Israel geht seit dem Hamas-Großangriff massiv militärisch im Gazastreifen vor. Dabei wurden nach Angaben des von der Hamas kontrollierten Gesundheitsministeriums, die sich nicht unabhängig überprüfen lassen, inzwischen mehr als 34.600 Menschen getötet.

Unterdessen meldete die israelische Armee, aus einem Gebiet nahe der Stadt Rafah seien zehn Geschosse in Richtung des Grenzübergangs Kerem Schalom abgefeuert worden. Daher sei der derzeit wichtigste Grenzübergang für Lastwagen mit humanitären Hilfslieferungen für den Gazastreifen vorerst geschlossen worden, erklärte die Armee am Sonntag.

Während die Kämpfe im Gazastreifen weitergingen, stellte die israelische Regierung am Sonntag den katarischen Sender Al-Dschasira ab, dem sie Hetze und eine Gefährdung der Sicherheit im Land vorwirft. Der Sender nannte die Entscheidung einen "kriminellen Akt".

O.Lorenz--BTB